2001 • Die Stadt der Blinden

(041) AUTOR: José Saramago • PRODUKTION: NDR • DRAMATURGIE: Henning Rademacher • BEARBEITUNG, MUSIKCOLLAGEN & REGIE: A.S. • SPRECHER: Bettina Engelhardt, Mathias Haase, Christian Redl, Leslie Malton, Nina Weniger, Andreas Grothgar, Jens Wawrcek, Peter Lohmeyer, Wolf-Dietrich Sprenger u.v.a. • LÄNGE: 89:15 min •

Ein großes Stück Funkdramatik! Ohne Reduktion kann Literatur kaum verfilmt oder für Bühne und Funk dramatisiert werden. 398 Buchseiten müssen schlüssig in 90 Radiominuten umgesetzt sein. Eigentlich wurde im Falle Saramago das Ensemble der Romanfiguren nur geringfügig reduziert. Ein Kind gehörte im Roman zum Figurenkern und ein Alter, den es im Hörspiel zwar auch gibt, aber nicht so geheimnisvoll philoso- phisch. Die Funkdramatik hat sich nicht von einem ihr scheinbar entgegenkommenden Vehikel im Roman verführen lassen, es sich allzu leicht zu machen. Im Roman hat der alte Mann ein Radio dabei. Bis zum Ende der Batterien und der gerade noch miterleb- baren Erblindung der letzten Radiomacher da draußen liefert es Nachrichten von der Außenwelt. Das Hörspiel gestaltet sehr einnehmend das Verschwinden der Zivilisation aus den Zwischenmenschlichen Beziehungen in dem Mikrokosmos Anstalt, in welchem die ersten Blinden der Stadt interniert wurden. Das Erleben der letztlich befreienden Brand- katastrophe und der apokalyptischen Stadt liegen nicht im Kern der Handlung und kommen sehr verknappt ins Hörspiel, obwohl es hier im Roman Details gibt, die sich dem Leser sehr tief einprägen. Das stark wachsende Hörangebot, die Zunahme der Audio- adaptionen belletristischer Werke ist gewiss nicht die Ursache der Krise, in die das Lesen offenbar eingetreten ist. Hörspiel und Roman „Die Stadt der Blinden“ kann man beide mit Gewinn zu sich nehmen. Das eine wird so wenig enttäuschen wie das andere. Das Hörspiel wird der Vorlage gerecht, macht sie aber nicht übergehbar.

Quelle: http://www.klangkontext.de/boltenhagen/buch2002/saramago/vertont.html

 

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